Nerdnanny

Es ist Sommer geworden.

Es sind anstrengende Zeiten. Ich habe viel gearbeitet, um nicht zu sagen: ich habe sehr, sehr, sehr viel gearbeitet. Vielleicht auch, um nicht jeden Tag wie gebannt auf Nachrichtenseiten unterwegs zu sein und in all den vielen und diversen Untergangsszenarien den Glauben an die Menschheit und meinen Optimismus zu verlieren.

Nun ist der Sommer da, ich würde mir gerne mehr freie Zeit nehmen, aber dann streikt der Drucker, dann wartet der Regierungspräsident mit unverständlichen Schreiben zur Soforthilfe, die ich dann doch gar nicht in Anspruch genommen habe… und nicht zuletzt hatte das Redesign der Firmenseite im März mehr Bugs als ich zählen konnte. Nun gut, ich habe auch immer noch keine Rechnung vom Dienstleister bekommen, aber in den letzten drei Monaten mit reichlich Nerven und etlichen Stunden Fehlersuche bezahlt.

Immerhin habe ich aber einige Touren mit dem neuen Rad gemacht und noch nie so viele prächtige Wolkenhimmel gesehen wie in diesem Jahr 2022. Und einige wunderschöne laue Sommerabende auf Halden verbracht. Aber erholt bin ich nicht. Und fühle mich damit in bester Gesellschaft mit allen Corona- und Kriegsmüden Menschen.

Nun dann mal gucken, was der Juli noch so bringt. Eine Woche Urlaub in Berlin ist geplant, ich möchte noch einmal den Mauerweg in Etappen radeln, wie zuletzt 2013, als ich in Berlin gearbeitet habe. Ich werde berichten.

Zeitreise in das alte Westberlin

Es ist Montag. Ich habe auch an diesem Wochenende gearbeitet, viel geschrieben, Seminare und Webinare vorbereitet. Das Wetter ist weiterhin grau, nass und regenreich und ich bin gestern in der Morgendämmerung einmal zum Bahnhof gelaufen, da es nur tröpfelte und für den Rest des Tages Dauerregen angesagt war. Die Stadt war menschenleer und ich mag diese Stimmung sehr.

Am Abend bekam ich von Dr. Rossi einen Link zugeschickt. Zur Berlinischen Galerie. Dort ist aktuell ein Interviewfilm über die Pelze zu sehen. Die Pelze als spezieller Experimentierraum einer künstlerischen Frauenszene stehen hier symptomatisch für das Westberlin der achtziger Jahre. Ich habe mich sehr amüsiert über diese kleine Zeitreise in meine Jugend.

Auf der Potsdamer Straße, nur ein paar hundert Meter von der Mauer am Potsdamer Platz entfernt, schräg gegenüber der Pelze, wohnte damals meine Freundin in einer Wohngemeinschaft, allerdings nicht in einem besetzten Haus. Ich war dort oft zu Besuch. Und die Pelze waren das erweiterte Wohnzimmer direkt vor der Haustür.

Nun beginnt die neue Arbeitswoche. Es gibt wieder reichlich zu tun und ich freue mich auf den Frühling. Die dunkelste Zeit des Jahres liegt ja schon hinter uns.

Tulpenliebe und Pandemüdigkeit

Und schon wieder mutieren die Tage zu einem Einheitsbrei. Auch heute der immer wieder gleiche Ablauf: Aufstehen, Tee trinken, an den Schreibtisch setzen, Mails beantworten, Texte schreiben, Tee trinken, Bilder bearbeiten, ab und an ein bisschen Buchhaltung und dann wieder eine Zoomsession.

Das Skript fürs Wochenendseminar ist heute fertig geworden – und schon korrekturgelesen, die Powerpoint steht zur Hälfte. Morgen ist auch noch ein Tag.

Da ich am Samstag und Sonntag in einem komplett holzvertäfelten Raum unterrichten werde, (fast unvorstellbar, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, Decke, Fußboden, Wände, alles aus Holz und im Goetheanum-Style) habe ich eine tragbare zusammen- und auseinanderbaubare Leinwand bestellt und in einer kleinen Pause vom Schreibtisch Probe-aufgebaut. Also demnächst können wir im Sommer lange Filmnächte im Schrebergarten feiern. Das Paket enthält nämlich auch zwei (noch) leere Sandsäcke, um die Füße zu stabilisieren.

Um nicht dem nahenden Trübsinn anheim zu fallen, habe ich mir vor ein paar Tagen Tulpen gekauft, drei orange Tulpen in einem kleinen Blumentopf. Erst war nur das Blattgrün zu sehen, in wenigen Tagen sind sie aufgeblüht. Ich erfreue mich und fotografiere die bunte Pracht. Und habe sie schon ge-insta-gramt. Das da oben ist aber Mangold im Garten, der hat mich heute so grün angelacht.

Bei meinem morgendlichen Einkauf im Supermarkt sah ich, dass es jetzt auch Tulpen als Schnittblumen gibt. Vermutlich zu einem ähnlich astronomisch hohen Preis, wie der, den die Ruhrpottkrabbe letztens gezahlt hat. Aber das ist uns ja egal, wir sind Tulpenliebhaberinnen und Frühlings-Sehnsucht-Kinder.

Radschnellweg RS1

Wieder ein arbeitsreicher Tag. Um zehn Uhr der erste Beratungstermin, via Zoom, danach die ersten Rechnungen für dieses Jahr geschrieben, Mails beantwortet, telefoniert… ein ganz normaler Home-Office-Tag in diesen Zeiten.

Aber da die Sonne lachte, bin ich ca. eine Stunde, bevor sie verschwand, Richtung Jahrhunderthalle gelaufen.

Seit einigen Monaten existiert dort an der Bessemer Straße das erste Stück des RS1 auf Bochumern Stadtgebiet, ca. 600 Meter, mehr sind es nicht. Wann wir Ruhris tatsächlich mal von Unna bis Duisburg auf einem Radschnellweg unterwegs sein werden, steht in den Sternen.

Immerhin sind inzwischen noch einige Kilometer in der Nähe der Rheinelebhalde in Ückendorf, an der Stadtgrenze von Wattenscheid nach Gelsenkirchen, fertig. Dazu das recht lange Stück zwischen Essen und Mülheim. Und im Kreuzviertel in Dortmund soll es auch ein paar Meter geben.

Jedenfalls endet das Bochumer Teilstück mitten in Stahlhausen, dem ehemaligen Arbeiterviertel des Bochumer Vereins. Und von dort ist es nur noch ein Katzensprung zur Jahrhunderthalle. Habe dann um die Hallen herum noch ein paar Pokemons gejagt, Arenen besetzt und den Sonnenuntergang geguckt. Danach bin ich zufrieden nach Hause, denn immerhin habe ich das ruhige und sonnige Winterwetter nicht nur durchs Fenster gesehen.

Und zack, schon ist es 2022

Und auf einmal ist es nicht nur Winter, sondern sogar schon ein neues Jahr. Mein guter Vorsatz mehr zu bloggen, starb unter unzähligen To-Dos und dieser immer mehr und immer extremer ermüdenden Pandemie.

Dem Himmel sei Dank konnte ich aber Ende November für vier Wochen Richtung Süden verschwinden. Natürlich hatte ich mal wieder das große Glück, dass ein Stellwerk in Duisburg komplett ausfiel, als ich mich Montag früh auf den Weg nach Düsseldorf machen wollte, um mit dem Flieger Richtung Kanaren anzuheben.

Dass die Infrastruktur ebenso wie die Informationspolitik der Bahn grottig und unterirdisch ist, weiß jeder, der regelmäßig auf der vielbefahrenen Rhein-Ruhr-Strecke unterwegs ist. Lange Rede – kurzer Sinn: es war enorm stressig, rechtzeitig am Flughafen zu sein , aber ich hab’s knapp geschafft. Und spätestens als ich in den nächsten Tagen am Meer saß und dank einiger kleiner Regenschauer jede Menge Regenbögen sah, war ich zufrieden und froh, dem Coronawahnsinn in D für eine Weile entkommen zu sein.

Nun bin ich schon kleine Ewigkeiten wieder hier im nasskalten und (meist) dunkel-grauem Ruhrpott. Habe bis auf die Feiertage viel gearbeitet und komplett unterschiedliches Zeugs gemacht. Angefangen, `ne Website umzuziehen, eine Reihe von Beratungen via Zoom gemacht, Firmen-Newsletter verschickt, die Buchhaltung für November und Dezember fertig gemacht, die eigene Firmenwebsite mit Terminen und Angeboten für 2022 upgedatet.

Und heute endlich den neuen Telekom-Router für meine Sister eingerichtet und dazu gebracht, mit drei Gigaset-Telefonen anständig zu kooperieren. Und hey, das ist ja alles soviel leichter als früher. Und überhaupt, der Support im T-Punkt… wir konnten dort vor zwei Wochen problemlos den uralten Vertrag mit einem geleasten Speedport921v kündigen und einen neuen Vertrag mit schnellem Internet abschließen, das am nächsten Tag geschaltet wurde.

Ich habe den Magenta-Riesen nun wirklich oft genug verflucht, damals zu Beginn der ISDN-Zeiten, wenn ich beim Einrichten von Eumexanlagen wirklich verzweifelte, aber das ist alles so unglaublich viel besser geworden.

Soooo – und jetzt ist es – 20 Uhr – Zeit auf die Couch zu wechseln, das Wochenende ausklingen zu lassen. See you tomorrow!

An der Ruhr

Letzten Montag bin ich tatsächlich zum ersten Mal von Essen-Steele nach Hattingen geradelt. Diese Strecke fahre ich häufig, nämlich immer dann, wenn ich in Niederwenigern oder Hattingen war und zu müde bin, um die Steigung über die Springorumtrasse von Dahlhausen zurück nach Bochum zu nehmen.

Es ist schon lustig, wie sehr sich Strecken oder besser der Blick auf den Weg unterscheidet, wenn man ihn in der Gegenrichtung fährt. So oder so kommt man auf diesem Weg aber immer an dem schönen Strom-Masten vorbei. Als Pokestop in PokémonGo heißt er übrigens Leuchtturm.

Der Name passt natürlich, denn wenn die Sonne scheint, leuchten die bunten Plexiglasscheiben, die von den Künstlern Ail Hwang, Hae-Ryan Jeong und Chung-Ki Park zwischen die Metallstreben des Strom-Mastens montiert wurden. Oh – und es die offizielle Bezeichnung dieses Kunstwerks am Ruhrtalradweg, lese ich hier gerade.

Ich mag diesen Abschnitt des Ruhrtalradwegs und das sich anschließende Stück von Dahlhausen bis Hattingen sehr. Leider ist es bei schönem Wetter und vor allem am Wochenende viel zu voll auf dem schmalen Weg, aber in den frühen Morgenstunden oder im Sommer am Sonntagabend lohnt es sich immer, noch eine kleine Runde zu drehen und den Kopf nach vielen Stunden vorm Rechner wieder frei zu bekommen.

Die Akademie Mont-Cenis

Dieser Samstag war ein Arbeitstag. Morgens weiter an Texten für das nächster Webinar geschrieben, am Nachmittag eine Supervision-Session via Zoom. Wie sehr wir uns alle daran gewöhnt haben in den letzten anderthalb Jahren?

Abends bei Sonnenschein noch eine kleine Runde mit dem Rad gedreht, an der Akademie Mont-Cenis vorbeigeschaut und einen neuen Weg entdeckt. Ich mag diesen großen Platz hinter der Akademie, mit dem Steinfeld aus Betonresten, vom Land-Art-Künstler Hermann Prigann, dem wir die Himmelsleiter auf der Rheinelbe-Halde zu verdanken haben.

Die Akademie selbst , auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Mont-Cenis erbaut, ist ein tolles Gebäude. Mehr zur Architektur und zur Ökologie des Baus kann man auf den Seiten der Baukunst NRW nachlesen.

Die Glasfassade spiegelt die Landschaft drumherum, das Licht und die Wolken und sieht so immer wieder anders aus. Mit dem Oval aus Pappeln um das gesamte Gelände bekommt dieser Ort tatsächlich etwas Magisches.

Warum ich den Ruhrpott so mag

Am Freitag schien die Sonne und ich dachte, es wäre ein guter Tag, um zur Halde Handel zu radeln, die ich dieses Jahr noch gar nicht besucht hatte. Gesagt, getan. Ich radelte zum S-Bahnhof Dahlhausen,. von dort gibt es mit der S3 eine Direktverbindung nach Oberhausen. Den Weg vom HBF Oberhausen Richtung Gasometer kenne Ichs schon. Von dort geht es über die ehemalige Zeche Osterfeld, den inzwischen etwas heruntergekommenen OLGA-Park auf eine Trasse, die zur Halde Handel führt.

Direkt am Anfang der Trasse wurde ich wegen einer Brücke, an der gebaut wurde, umgeleitet und kam zufällig an einer Gedenkplatte vorbei. Ich hielt an, um den Text zu lesen und ein Foto zu machen. Denn an dieser Stelle hat es zwischen 1942 und 1945 ein Zwangsarbeiterlager der Gutehoffnungshütte (GHH) gegeben.

Und während ich dort stand, hielt ein älterer Mann – ebenfalls auf dem Rad – neben mir an und fragte mich, ob ich mich für Geschichte interessieren würde? Ich bejahte und er erzählte mir, dass eine Schulklasse die Geschichte dieses Lagers recherchiert hat. Anschließend fragte er mich, ob ich eine Broschüre zur Geschichte dieses Lagers haben möchte und so fuhr ich mit dem Fahrrad hinter ihm her, zu seiner Garage, in der er ziemlich viel Zeugs aufbewahrte. Nach etwas Sucherei fand er das Heft und schenkte mir gleich zwei Exemplare.

Zuhause las ich, dass die Schülerinnen und Schüler Augenzeugen interviewt und eine Studienreise nach Thüringen gemacht haben, um die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora zu besichtigen. Sie besuchten das Stadtarchiv in Oberhausen und machten sich auf die Spurensuche nach biografischen Angaben zu den Häftlingen in „ihrem“ Lager.


Gedenkplatte mit Blumenschmuck – immer frisch!

Ich bin immer wieder beeindruckt, welche Erinnerungs-Arbeit hier im Ruhrgebiet in den Schulen geleistet wird, nachdem ich selbst 2019 als Privatperson eine Patenschaft für Stolpersteine hier in Bochum übernommen hatte und dabei die vielen Patenschaften von Schulklassen mitbekam.

Und was ich wirklich toll finde, wie freundlich mir die Menschen im Ruhrgebiet begegnen, wenn ich mich für die Geschichte dieser Gegend interessiere. Außerdem freue ich mich darüber, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus hier so viel Raum bekommt und Parolen wie #niewiederfaschismus oder #nonazis keine leeren Lippenbekenntnisse sind.

Vor den Wahlen

Es ist ein Elend und wahrscheinlich bleibt einem nichts anderes übrig als das kleinere Übel zu wählen. Der Wahlomat empfiehlt den Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Den kann ich aber ja gar nicht wählen.

Bei der Partei „Die Partei“ kann ich sofort die Forderung nach Mindesthirn für alle (ohne jegliche Bedürftigkeitsprüfung) unterschreiben. Aber ist es nicht dieses Mal besonders wichtig, die CDU mit einem Kanzler Laschet zu verhindern? Also doch die Grünen wählen. Oder den Scholzomat? ich habe noch zehn Tage Zeit, zu überlegen….